Digitale Versicherungen :
Mehr Überblick über den Versicherungsschutz

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Friendsurance kooperiert jetzt mit R+V.
Die Versicherungsbranche wird immer digitaler. Jetzt kooperiert R+V mit dem kleinen Digital-Unternehmen Friendsurance – und will dadurch den Papierordner abschaffen.

Die Versicherungswirtschaft hat früher als die Banken erkannt, dass es keinen Sinn hat, gegen die neuen Fintechs anzukämpfen. Schon frühzeitig haben Unternehmen Kooperationen mit Insurtechs geschlossen, wie sie in dieser Branche, abgeleitet vom englischen Begriff für Versicherungen „Insurance“, genannt werden. Denn die oft agileren kleinen Start-ups bringen etwas mit, das die Wertschöpfung des Versicherers vertieft. Das Berliner Insurtech Friendsurance fällt ein wenig aus dem Rahmen, denn es wurde schon 2010 gegründet – also nach der ersten Welle neuer digitaler Akteure wie Interhyp oder Check 24, aber lang vor der ersten digitalen Welle im Versicherungswesen mit Knip, Getsafe oder Clark.

Mit einem genossenschaftlichen Peer-to-Peer-Modell, in dem sich gleichgesinnte Versicherte zu Risikokollektiven zusammenschließen, und einer digitalen Vertragsverwaltung ist Friendsurance zu einem attraktiven Partner für große Finanzdienstleister geworden. Mit der Deutschen Bank besteht schon eine Kooperation, nun greift mit der R+V der erste Versicherer auf dessen Dienste zurück. Von Mai an stellt der Wiesbadener Versicherer seinen Vertriebspartnern, vor allem Volks- und Raiffeisenbanken, den digitalen Versicherungsmanager zur Verfügung.

„Das erlaubt den Kunden einen kompletten Überblick über alle Verträge“, erläutert Vertriebsvorstand Jens Hasselbächer. „Friendsurance übernimmt für uns die Auskunftsmandate.“ Mit diesem Angebot soll es den Verbrauchern möglich sein, einen Soll-Ist-Vergleich vorzunehmen und anschließend ihre Verträge zu optimieren. Bestehen Lücken in der Vorsorge oder im Risikoschutz, zeigt die digitale Vertragsverwaltung, wie die Defizite behoben werden können – aus Sicht des Versicherers idealerweise mit R+V-Policen. Über die Primärbanken der genossenschaftlichen Gruppe bestünden zwar 1,3 Milliarden Onlinekontakte zu Kunden, doch mit eigenen digitalen Lösungen habe die R+V sich bislang schwer getan, sagt der Vorstand.

„Bitte optimieren Sie das“

„Unsere Mission sind Einfachheit und Transparenz für den Endkunden“, sagt Friendsurance-Gründer Tim Kunde. Die Deutsche Bank habe schon im Jahr 2017 daran geglaubt, dass ihr Modell skalierbar sei, also schnell auf hunderttausende Kunden angewandt werden könne. Von den gut 100 Friendsurance-Mitarbeitern sei rund ein Drittel zeitweise damit beschäftigt gewesen, die neue Kooperation vorzubereiten. Sie sei aber nicht exklusiv und schließe andere Versicherer nicht von der Vertragsplattform aus. „Es kann ja auch in der analogen Welt jemand mit drei Ordnern zum Berater gehen und sagen: ‚Bitte optimieren Sie das‘“, sagt Kunde. Der Versicherungsordner sei nur ein einfacheres Instrument dafür. Allerdings solle es nicht darum gehen, Kunden einfach nur von anderen Versicherern abzuwerben. „Hier geht es nicht um Umdeckungen, sondern darum, Lücken zu schließen“, sagt Hasselbächer.

Die R+V strebt an, das Angebot in drei Jahren allen Vertriebsmitarbeitern zugänglich gemacht zu haben. „Wir wollen den Papierordner ablösen und die Vorteile für den Kunden realisieren“, sagt Hasselbächer. Das werde auch dazu beitragen, mehr Policen über diesen Kanal zu verkaufen. Der Schritt sei Teil einer Strategie des Versicherers, relevant im Leben des Kunden zu werden. Versicherer leiden bisher darunter, dass es nur wenige Anlässe gibt, sich dem Verbraucher in Erinnerung zu rufen. Deshalb will Hasselbächer seine Dienstleistungen stärker ins Onlinebanking integrieren.

Er will zweitens bei wichtigen Lebensanlässen wie Heirat, Geburt der Kinder oder Umzug präsent sein, drittens will er als Versicherer präventive Maßnahmen anbieten – zum Beispiel Wetterdaten mit dem Parkplatz des Autos und der Information verknüpfen, dass es in Gefahr sein könnte. Und solche Prinzipien sollen auch bei Vorsorgeprodukten Einzug halten.

„Enabler“ vor Ort

Für Friendsurance sind die digitalen Versicherungsordner, wie sie Knip, Clark und Getsafe auf dem deutschen Markt etabliert haben, eigentlich nur ein Nebenprodukt. Die Grundidee des Unternehmens war es, Verbraucher mit ähnlichem Versicherungsbedarf zusammenzubringen und zu einer Art Versichertengemeinschaft zusammenzuschließen. „Wir haben lange nicht geworben für unser digitales Maklermodell, aber die Kunden fanden es toll“, sagt Kunde. Nun ist es schon in der zweiten Kooperation mit einem Finanzdienstleister Kernbestandteil der Vereinbarung. Damit werde sein Unternehmen zu einem „Enabler“, also einem, der andere befähigt, für die Vertriebspartner der Finanzdienstleister vor Ort zu sein. Mit der R+V-Kooperation werde die Entwicklung nicht zu Ende sein. „Die Plattform ist darauf ausgerichtet, weitere Partnerschaften mit Versicherern und Banken zu schließen“, sagt er. „Aber für einen Partner ist es ein Vorteil, jetzt zu starten und nicht erst in ein bis zwei Jahren.“

Die R+V stellt sich auch auf Vorbehalte der Vertriebsmitarbeiter ein, wie sie sich in der Digitalisierung des Geschäftsmodells immer wieder zeigen. Schlecht umgesetzt, könnte ein solches Hilfsinstrument dazu führen, dass ihre Arbeit in Teilen überflüssig wird. Doch der Versicherer setzt darauf, die Vertriebe so vorzubereiten, dass das nicht passiert. Weil viele Vertriebe, ob Banken, Ausschließlichkeitsvertreter oder unabhängige Makler noch einem traditionellen Geschäftsmodell anhängen, gibt sich die R+V für die Umsetzung bewusst drei Jahre Zeit.